Stolperstein für Rosa Willinger
Sie war eine außergewöhnliche Frau: Vor über einem Jahrhundert, 1912 bis 1916, als Frauen noch nicht einmal das Wahlrecht hatten, führte sie bereits ein Damen-Konfektionsgeschäft unter ihrem eigenen Namen (und nicht etwa unter dem ihres Mannes) auf der Graf-Adolf-Straße unweit der Kö. Rosa Willinger war eigenständig und emanzipiert. Zudem besaß sie einen Sinn für Internationalität und PR, denn das Mode-Geschäft nannte sie „Louvre“. Sie warb mit französischem Flair – ungeachtet der damals in deutschen Kreisen weit verbreiteten Ansicht von Frankreich als dem „Erzfeind“. Außerdem war sie Mutter von fünf Kindern, von denen die drei Söhne – Ismar, Kurt und Guido Willinger – unsere Schule besuchten und zur ersten Generation von Comenianern gehörten.
Als Juden wurden die Willingers in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, vertrieben – und ermordet: Ismar, Kurt und seine Frau Hedwig, Guido und seine Frau Edith, sowie Rosa selbst – sie alle starben in Vernichtungslagern der Nazis. Einer der wenigen Überlebenden der Familie ist der heute 82jährige Gershon Willinger, der Sohn von Guido und Edith, den die Eltern im niederländischen Exil zu verstecken versuchten, der verraten und noch als Kleinkind in Konzentrationslager verschleppt wurde. Diese Woche jedoch ist er unser Gast – und wir können, in Kooperation mit der Mahn- und Gedenkstätte und der Stadt Düsseldorf, gemeinsam seine Großmutter ehren.
Als erster Schritt wurde vor dem Wohnhaus der Familie in der Oberkasseler Leostraße 7 ein Stolperstein für Rosa Willinger verlegt. Dabei trugen Schüler*innen der Geschichts-AG ihre Forschungsergebnisse über das Leben dieser außergewöhnlichen Frau vor. Dass Rosa nicht nur Schüler-Mutter sondern auch eine Pionierin weiblichen Unternehmertums war, wusste auch ihr Enkel bisher nicht. Gershon Willinger sprach dann das jüdische Totengebet Kaddisch für seine Großmutter. Drei Schüler*innen der Klasse 10d teilten mit den ca. 200 Anwesenden ihre Gedanken über die Bedeutung dieses Stolpersteins für ihre Zukunft. Das Gedenken endete damit, dass viele Anwesende Blumen an dem frisch verlegten Stolperstein ablegten.
Geboren wurde Rosa Willinger unter ihrem Mädchennamen Meyer am 12.02.1878 in Flerzheim in der Nähe von Bonn. In diesem kleinen Ort ist die Familie schon seit Jahrhunderten nachweisbar, Rosa war also eine waschechte Rheinländerin. Ermordet wurde sie am 02.07.1943 im Vernichtungslager Sobibór im heutigen Polen. Auch dort will das Comenius-Gymnasium an diese außergewöhnliche Frau erinnern. Gemeinsam mit Gershon Willinger haben die AG-Schüler*innen unweit des Wohnhauses einen Stein am Flussufer des Rheins ausgewählt, der nun mit einer Gedenkplakette versehen wird und den sie während unserer Projektwoche Anfang Juli nach Sobibor bringen und in Erinnerung an Rosa Willinger ablegen werden – genau 81 Jahre, nachdem sie dort von den Nazis ermordet wurde.
Das Projekt wird von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) gefördert.